OM5 – der neue LWL-Multimode-Standard?

OM5 Pigtails

Seit 2017 gibt es mit OM5 einen neuen Multimode-Glasfaser-Standard. Die limegrünen Kabel versprechen höhere Bandbreiten und weniger Fasern für Hochgeschwindigkeits-Rechenzentren. Doch was macht OM5 wirklich besonders? Wann lohnt sich die Investition gegenüber dem etablierten OM4-Standard? In diesem Artikel erklären wir verständlich die Technologie hinter OM5 und helfen Ihnen bei der Entscheidung.

Was ist OM5 und was macht es besonders?

OM5 ist die neueste Generation der Multimode-Glasfaserkabel und wurde 2016 von der TIA (Telecommunications Industry Association) standardisiert. Das Besondere: OM5 ist die erste “Wideband Multimode Fiber” (WBMMF) – eine Breitband-Multimode-Faser, die speziell für eine neue Übertragungstechnologie entwickelt wurde.

Die SWDM-Technologie: Das Herzstück von OM5

Der Schlüssel zum Verständnis von OM5 liegt in der SWDM-Technologie (Short Wavelength Division Multiplexing). Was kompliziert klingt, ist eigentlich ein cleveres Prinzip:

Herkömmliche Glasfaser: Überträgt Daten auf einer Wellenlänge (meist 850 nm)
OM5 mit SWDM: Überträgt gleichzeitig auf vier verschiedenen Wellenlängen (850 nm, 880 nm, 910 nm, 940 nm)

Vereinfacht gesagt: Statt einer “Autobahn” für Daten hat OM5 vier parallele Spuren auf derselben Faser. Das vervierfacht die Kapazität!

Woran erkennt man OM5-Kabel?

OM5-Kabel sind an ihrer charakteristischen limegrünen Ummantelung erkennbar – ein deutlicher Kontrast zu:

  • 🟠 Orange: OM1/OM2
  • 🔵 Aqua: OM3
  • 🟣 Violett: OM4
  • 🟢 Limegrün: OM5

OM5 vs. OM4: Der direkte Vergleich

Auf den ersten Blick scheinen OM5 und OM4 sehr ähnlich. Doch die Unterschiede liegen im Detail:

Merkmal OM4 (Violett) OM5 (Limegrün)
Kerndurchmesser 50 µm 50 µm
Wellenlängen 850 nm, 1300 nm 850-953 nm (4+ Wellenlängen)
Bandbreite @ 850 nm 4700 MHz·km 4700 MHz·km
Bandbreite @ 953 nm 2470 MHz·km
10G Reichweite 550 m 550 m
100G Reichweite (SR4) 100 m 100 m
100G Reichweite (SWDM) 100 m 150 m
40G Reichweite (SWDM) 400 m 500 m
Dämpfung ≤ 3,0-3,5 dB/km ≤ 3,0 dB/km
Kabelpreis Mittel +20-50% teurer
Transceiver (SWDM) Standard Teurer, weniger verbreitet

Was bedeutet das in der Praxis?

Bei Standard-Anwendungen mit 850 nm (z.B. 10GBASE-SR, 40GBASE-SR4, 100GBASE-SR4) gibt es kaum Unterschiede zwischen OM4 und OM5. Beide bieten die gleichen Reichweiten und Geschwindigkeiten.

Der entscheidende Vorteil von OM5 zeigt sich erst bei Verwendung von SWDM-Transceivern:

  • Höhere Reichweite bei gleicher Geschwindigkeit
  • Weniger Fasern benötigt für hohe Bandbreiten
  • Bessere Ausnutzung der Kabelkanäle

Die Vorteile von OM5

✅ 1. Weniger Fasern für mehr Geschwindigkeit

Der größte Vorteil von OM5 liegt in der Faserreduktion:

Beispiel 100G Ethernet:

  • OM4 mit SR4-Transceiver: Benötigt 8 Fasern (4 für Senden, 4 für Empfangen)
  • OM5 mit SWDM: Benötigt nur 2 Fasern (1 für Senden, 1 für Empfangen)

Das spart 75% der Fasern – entscheidend in dicht belegten Kabelkanälen!

✅ 2. Größere Reichweite mit SWDM

Bei SWDM-Anwendungen bietet OM5 messbare Vorteile:

  • 40G SWDM: 500 m statt 400 m (OM4) – +25% Reichweite
  • 100G SWDM: 150 m statt 100 m (OM4) – +50% Reichweite

✅ 3. Zukunftssicherheit für 200G/400G

OM5 ist für die nächste Generation vorbereitet:

  • 200G und 400G Ethernet mit SWDM möglich
  • Unterstützung für zukünftige Multiwellenlängen-Standards
  • Längere Nutzungsdauer der Installation (10-15 Jahre)

✅ 4. Rückwärtskompatibilität

OM5 ist vollständig kompatibel mit:

  • OM4, OM3, OM2, OM1 Systemen
  • Standard 850-nm-Transceivern
  • Bestehenden Steckverbindern und Patchpanels

Die Nachteile von OM5

❌ 1. Deutlich höhere Kosten

Der größte Nachteil ist der Preis:

  • OM5-Kabel: 20-50% teurer als OM4
  • SWDM-Transceiver: Deutlich teurer als Standard-SR4-Transceiver
  • Gesamtkosten: Können sich um 30-60% erhöhen

❌ 2. Kein Vorteil ohne SWDM

Ohne SWDM-Transceiver bietet OM5 praktisch keinen Mehrwert gegenüber OM4:

  • Gleiche Reichweite bei Standard-Anwendungen
  • Gleiche Geschwindigkeit mit SR4-Transceivern
  • Nur höhere Kosten, keine höhere Leistung

❌ 3. Begrenzte Verfügbarkeit von SWDM-Hardware

Die SWDM-Technologie ist noch nicht weit verbreitet:

  • Weniger Hersteller und Produkte
  • Höhere Preise durch geringere Stückzahlen
  • Längere Lieferzeiten möglich

❌ 4. Konkurrenz durch Singlemode

Für höchste Geschwindigkeiten wird zunehmend Singlemode interessanter:

  • Singlemode-Transceiver werden günstiger
  • Unbegrenzte Reichweite und Bandbreite
  • Einheitliche Infrastruktur für alle Distanzen

Wann lohnt sich OM5?

✅ OM5 ist die richtige Wahl, wenn:

  • Sie ein neues Hochleistungs-Rechenzentrum aufbauen
  • Sie SWDM-Technologie einsetzen oder konkret planen
  • Kabelkanäle stark begrenzt sind (Faserreduktion wichtig)
  • Sie 200G/400G Ethernet in den nächsten Jahren planen
  • Maximale Zukunftssicherheit oberste Priorität hat
  • Das Budget großzügig ist

❌ OM4 bleibt die bessere Wahl, wenn:

  • Sie Standard 850-nm-Transceiver verwenden (SR4)
  • Reichweiten unter 100-150 m ausreichen
  • Keine SWDM-Pläne in den nächsten 5 Jahren
  • Budget begrenzt ist
  • 10G/40G/100G mit OM4 ausreichend sind
  • Sie eine bewährte, weit verbreitete Technologie bevorzugen

Praktische Anwendungsbeispiele

Szenario 1: Traditionelles Rechenzentrum (OM4 empfohlen)

Situation: Mittelgroßes Rechenzentrum, 100G Ethernet geplant, Distanzen unter 100 m, Budget-orientiert

Lösung: OM4 mit 100GBASE-SR4-Transceivern

Begründung: Erfüllt alle Anforderungen kostengünstig, SWDM nicht erforderlich

Szenario 2: Hyperscale Datacenter (OM5 sinnvoll)

Situation: Großes Rechenzentrum, 100G/200G Ethernet, sehr viele Verbindungen, begrenzte Kabelkanäle

Lösung: OM5 mit SWDM-Transceivern

Begründung: 75% weniger Fasern, bessere Kanalauslastung, zukunftssicher für 400G

Szenario 3: Campus-Backbone (Singlemode bevorzugt)

Situation: Verbindungen zwischen Gebäuden, 300-1000 m, höchste Geschwindigkeiten

Lösung: Singlemode (OS2)

Begründung: Reichweite über OM5-Limit, maximale Zukunftssicherheit

Zukunft von OM5 und Multimode-Glasfaser

Trends und Entwicklungen

Wachsende Bedeutung von SWDM: Mit 200G und 400G Ethernet wird SWDM wichtiger, was OM5 attraktiver macht.

Sinkende Singlemode-Kosten: Siliziumphotonik macht Singlemode-Transceiver günstiger – eine Herausforderung für Multimode.

Energieeffizienz: Multimode-Transceiver verbrauchen weniger Strom als Singlemode – ein Vorteil für große Rechenzentren.

Spezialisierung: OM5 entwickelt sich zur Speziallösung für SWDM-basierte Hochgeschwindigkeits-Rechenzentren.

Die Rolle von OM4

OM4 bleibt der dominante Standard für Multimode-Anwendungen:

  • Bewährt und weit verbreitet
  • Günstiger in der Anschaffung
  • Ausreichend für die meisten Anwendungen
  • Große Verfügbarkeit von Komponenten

Häufige Fragen zu OM5

Ist OM5 rückwärtskompatibel mit OM4?

Ja, vollständig. Sie können OM5-Kabel mit Standard-OM4-Transceivern verwenden. Allerdings nutzen Sie dann nicht die SWDM-Vorteile und zahlen mehr für die gleiche Leistung.

Wann amortisiert sich die Investition in OM5?

Die Investition lohnt sich, wenn:

  • Sie SWDM-Transceiver tatsächlich einsetzen
  • Die Faserreduktion messbare Kosteneinsparungen bringt
  • Sie in den nächsten 3-5 Jahren auf 200G/400G upgraden

Kann ich OM5 und OM4 mischen?

Ja, aber die Gesamtleistung wird durch das schwächste Glied begrenzt. Bei Mischung von OM4 und OM5 gelten die OM4-Spezifikationen.

Welches Kabel für Neubauten: OM4 oder OM5?

Für maximale Zukunftssicherheit und wenn Budget vorhanden: OM5
Für beste Wirtschaftlichkeit und Standard-Anwendungen: OM4
Für ultimative Zukunftssicherheit: Singlemode OS2

Fazit: OM5 – Revolution oder Nischenlösung?

OM5 ist keine Revolution, die OM4 komplett ablöst. Vielmehr ist es eine spezialisierte Weiterentwicklung für spezifische Anwendungsfälle:

Die Realität:

  • OM5 ist technologisch beeindruckend und zukunftsweisend
  • Der Mehrwert zeigt sich nur mit SWDM-Technologie
  • Die höheren Kosten lohnen sich nicht immer
  • OM4 bleibt der Standard für die meisten Rechenzentren
  • Singlemode wird zunehmend zur echten Alternative

Unsere Empfehlung:

  • Große Hyperscale-Rechenzentren mit SWDM: OM5 ist eine sinnvolle Investition
  • Standard-Rechenzentren und Unternehmen: OM4 bietet das beste Preis-Leistungs-Verhältnis
  • Langstrecken und maximale Zukunftssicherheit: Singlemode (OS2) ist die beste Wahl

Faustregel: Investieren Sie nur in OM5, wenn Sie konkrete SWDM-Pläne haben oder die Faserreduktion für Ihr Projekt essentiell ist. Ansonsten sparen Sie mit OM4 Geld und erreichen die gleiche Leistung.

Haben Sie Fragen zur optimalen Glasfaser-Strategie für Ihr Rechenzentrum? Unsere Experten beraten Sie gerne und finden die wirtschaftlichste Lösung für Ihre Anforderungen!

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