PoE, PoE+, PoE++: Welcher Standard für welche Anwendung?

POE Access Point

Die Zeiten separater Stromkabel und Steckernetzteile sind vorbei. Power over Ethernet versorgt heute Access Points, IP-Kameras und VoIP-Telefone über ein einziges Netzwerkkabel mit Strom und Daten. Doch mit drei verschiedenen Standards – IEEE 802.3af, 802.3at und 802.3bt – stellt sich die entscheidende Frage: Welcher liefert genug Leistung für Ihre Geräte? Die Antwort entscheidet darüber, ob Ihre neue WLAN-Infrastruktur mit voller Performance läuft oder im gedrosselten Modus verharrt. Dieser Artikel erklärt die technischen Unterschiede und hilft Ihnen, die richtige Wahl für Ihr Unternehmen zu treffen.

Was bedeutet PoE und warum gibt es verschiedene Standards?

Power over Ethernet (PoE) bezeichnet die Stromversorgung von Netzwerkgeräten über das Ethernet-Kabel. Der Switch oder ein PoE-Injektor speist dabei Gleichstrom in die ungenutzten Adernpaare ein – das angeschlossene Gerät erhält so Daten und Energie über eine einzige Leitung.

Das hat gute Gründe: Sie sparen separate Stromkabel, benötigen keine Steckdosen an schwer zugänglichen Stellen und können alle Geräte zentral über eine USV absichern. Besonders für Access Points an der Decke oder Überwachungskameras im Außenbereich ist PoE unverzichtbar geworden.

Die drei IEEE-Standards unterscheiden sich primär in der maximalen Leistung, die sie übertragen können:

  • 802.3af (PoE): Bis zu 15,4 Watt am Switch, 12,95 Watt am Gerät
  • 802.3at (PoE+): Bis zu 30 Watt am Switch, 25,5 Watt am Gerät
  • 802.3bt (PoE++): Bis zu 90 Watt am Switch, 71,3 Watt am Gerät

Die Differenz zwischen Switch-Ausgang und Gerät entsteht durch Leitungsverluste im Kabel – je länger die Strecke und je dünner die Adern, desto höher der Spannungsabfall.

Die drei PoE-Standards im Detail

IEEE 802.3af – Der ursprüngliche Standard

Der 2003 ratifizierte Standard nutzt zwei der vier Adernpaare im Netzwerkkabel und arbeitet mit einer Spannung von 44 bis 57 Volt DC. Mit maximal 12,95 Watt am Endgerät eignet er sich für:

  • Einfache VoIP-Telefone (typisch 2-7 Watt)
  • Basis-IP-Kameras ohne Schwenk-Neige-Funktion (5-8 Watt)
  • WLAN-Access-Points der WiFi-5-Generation (2×2-Konfiguration)
  • Türzugangsleser und einfache IoT-Sensoren

Status: Noch ausreichend für Basisgeräte, aber zunehmend am Limit

IEEE 802.3at – PoE+ für gehobene Ansprüche

Der 2009 verabschiedete Nachfolger verdoppelt die verfügbare Leistung auf 25,5 Watt am Endgerät. Er führte die Leistungsklasse 4 ein und verbesserte die Spannungsstabilität durch einen höheren Mindestpegel von 50 Volt. Typische Anwendungen:

  • WiFi-6-Access-Points mit 4×4-MIMO (25-30 Watt)
  • PTZ-Kameras ohne Heizung (15-25 Watt)
  • Video-fähige VoIP-Telefone (10-15 Watt)
  • Biometrische Zugangsleser und Video-Türstationen
  • IP-Kameras mit IR-Beleuchtung

Status: Aktueller Standard für die meisten Unternehmensinstallationen

IEEE 802.3bt – PoE++ für High-Power-Geräte

Der 2018 ratifizierte Standard revolutioniert die Stromversorgung: Er nutzt erstmals alle vier Adernpaare für die Energieübertragung und erreicht so bis zu 71,3 Watt (Type 3) bzw. 90 Watt (Type 4) am Endgerät. Damit lassen sich betreiben:

  • WiFi-6E- und WiFi-7-Access-Points (35-45 Watt)
  • PTZ-Kameras mit Heizelement für Außeneinsatz (bis 47 Watt)
  • Digital-Signage-Displays bis 46 Zoll
  • Thin Clients und Mini-PCs (45-71 Watt)
  • Komplette LED-Beleuchtungssysteme
  • Point-of-Sale-Terminals

Status: Zukunftssicher – unverzichtbar für moderne WLAN-Infrastruktur

Vergleichstabelle: Alle PoE-Standards auf einen Blick

Spezifikation 802.3af (PoE) 802.3at (PoE+) 802.3bt Type 3 802.3bt Type 4
Ratifiziert 2003 2009 2018 2018
Max. Leistung PSE 15,4 W 30 W 60 W 90 W
Max. Leistung PD 12,95 W 25,5 W 51 W 71,3 W
Spannung 44-57 V 50-57 V 50-57 V 52-57 V
Adernpaare 2 2 2 oder 4 4
Leistungsklassen 0-3 0-4 0-6 0-8
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Welcher Standard für welche Geräte?

Die Wahl des richtigen PoE-Standards hängt von den stromhungrigsten Geräten in Ihrem Netzwerk ab. Die gute Nachricht: Alle Standards sind abwärtskompatibel – ein 802.3bt-fähiger Switch versorgt problemlos auch ältere 802.3af-Geräte.

WiFi-Access-Points – hier wird es kritisch

WiFi 6 und WiFi 6E markieren einen Wendepunkt: Während einfache 2×2-Access-Points noch mit 802.3af auskommen, benötigen leistungsstarke 4×4-Modelle zwingend 802.3at oder besser. Viele WiFi-6E-Geräte mit drei Frequenzbändern überschreiten bereits die 25-Watt-Grenze und erfordern 802.3bt.

Der Haken: Erhalten diese Access Points zu wenig Strom, schalten sie nicht einfach ab – sie drosseln ihre Funktionen. Das kann bedeuten: weniger MIMO-Streams, deaktiviertes Bluetooth für IoT-Integration oder abgeschaltete USB-Ports.

WiFi 7 verschärft diese Situation weiter. Aktuelle Modelle wie der Cisco CW9176 (39 Watt) oder Fortinet FAP-441K (41,7 Watt) verlangen nach 802.3bt Class 5 oder 6. Wer heute in WLAN-Infrastruktur investiert, sollte seine Switches entsprechend dimensionieren.

IP-Kameras – von Basic bis PTZ

Bei Überwachungskameras bestimmt die Ausstattung den Strombedarf:

Kameratyp Leistungsbedarf Mindeststandard
Feste Dome-/Bullet-Kamera 5-8 W 802.3af
Mit IR-Beleuchtung 8-15 W 802.3af
PTZ ohne Heizung 15-25 W 802.3at
PTZ mit Heizung 35-47 W 802.3bt
Multi-Sensor/Panorama 30-60 W 802.3bt

Wichtiger Tipp: Kameras mit Heizelement oder IR-LEDs ziehen beim Einschalten kurzzeitig 1-4 Watt mehr als im Normalbetrieb. Berücksichtigen Sie diesen Anlaufstrom bei der Planung.

VoIP-Telefone – meist unkritisch

Die meisten Tischtelefone begnügen sich mit 4-7 Watt und laufen problemlos an jedem PoE-fähigen Port. Ausnahmen bilden Video-Telefone und Geräte mit mehreren Erweiterungsmodulen, die bis zu 18 Watt benötigen können.

Praktische Hinweise zur Planung

Das Power-Budget richtig kalkulieren

Ein häufiger Planungsfehler: Der Switch hat 24 PoE+-Ports, also kann er 24 Geräte mit je 30 Watt versorgen? Nein. Das Gesamtbudget des Switches ist begrenzt – oft auf 370 bis 740 Watt. Bei voller Auslastung aller Ports reicht das nur für 12 bis 24 Watt pro Port.

Unsere Empfehlung: Kalkulieren Sie den tatsächlichen Verbrauch aller Geräte und addieren Sie 20-30 Prozent Puffer für Kabelverluste und zukünftige Erweiterungen.

Beispielrechnung für ein typisches KMU:

  • 4 WiFi-6-Access-Points × 30 W = 120 W
  • 8 IP-Kameras × 12 W = 96 W
  • 15 VoIP-Telefone × 6 W = 90 W
  • Summe: 306 W → Mit Puffer: mindestens 400 W Budget erforderlich

Kabelanforderungen beachten

802.3bt mit seinen hohen Strömen stellt erhöhte Anforderungen an die Verkabelung. Für Neuinstallationen empfehlen wir Cat6a als Minimum:

  • Geringerer Widerstand durch dickere Adern (23 AWG)
  • Bessere Wärmeableitung bei gebündelter Verlegung
  • Vorbereitet auf 10 Gigabit Ethernet

⚠️ Wichtig: Verwenden Sie niemals CCA-Kabel (Copper Clad Aluminum). Der höhere Widerstand führt zu Spannungsabfällen und kann bei hohen Leistungen gefährlich werden.

Häufige Planungsfehler vermeiden

  • Kabelbündel unterschätzen: Eng verlegte Kabel erwärmen sich gegenseitig – die Temperatur kann 10-20°C über Umgebung steigen
  • Leitungslängen ignorieren: Bei 100 Metern Cat5e gehen bis zu 8 Watt als Wärme verloren
  • Leistungsklassen verwechseln: Der Switch reserviert die volle Klassenleistung, auch wenn das Gerät weniger verbraucht
  • Anlaufstrom vergessen: Kameras und Heizungen ziehen beim Start mehr Strom

Zukunftsausblick: Wohin entwickelt sich PoE?

Der Markt für PoE-Technologie wächst rasant – Analysten prognostizieren ein Volumen von über 14 Milliarden US-Dollar bis 2034. Haupttreiber sind WiFi 7, Smart-Building-Integration und die zunehmende Vernetzung von Beleuchtung und Gebäudetechnik.

Single-Pair Ethernet (SPE) mit Power over Data Line eröffnet neue Möglichkeiten für Industrieanwendungen – über ein einzelnes Adernpaar lassen sich Daten und bis zu 50 Watt über längere Strecken übertragen.

Für Unternehmen bedeutet das: Wer heute in Netzwerkinfrastruktur investiert, sollte auf 802.3bt-fähige Switches und Cat6a/Cat7-Verkabelung setzen. Die Mehrkosten amortisieren sich durch längere Nutzungsdauer und vermiedene Nachrüstungen.

Unser Fazit

Die Wahl des richtigen PoE-Standards ist keine akademische Übung, sondern entscheidet über die Leistungsfähigkeit Ihrer Netzwerkgeräte. 802.3at (PoE+) deckt die meisten heutigen Anforderungen ab, doch mit der Verbreitung von WiFi 6E und WiFi 7 wird 802.3bt (PoE++) zum neuen Standard.

Unsere klare Empfehlung: Investieren Sie bei Neuinstallationen in 802.3bt-fähige Switches – selbst wenn Ihre aktuellen Geräte weniger benötigen. Die Abwärtskompatibilität ist gegeben, und Sie sind für kommende WLAN-Generationen und High-Power-Anwendungen vorbereitet.


Häufige Fragen zu PoE-Standards

Kann ich 802.3af-Geräte an einem 802.3bt-Switch betreiben? Ja, alle PoE-Standards sind vollständig abwärtskompatibel. Der Switch erkennt automatisch, welche Leistungsklasse das Endgerät benötigt.

Mein Access Point zeigt weniger Performance als erwartet – liegt das am PoE? Möglich. Viele moderne Access Points drosseln Funktionen bei unzureichender Stromversorgung.  Prüfen Sie die Leistungsklasse des Switch-Ports und vergleichen Sie sie mit den Anforderungen des Geräts.

Wie erkenne ich, welchen PoE-Standard mein Switch unterstützt? Die Spezifikationen finden Sie im Datenblatt unter “PoE Budget” und “PoE Standard”. Achten Sie auf Bezeichnungen wie “802.3at”, “PoE+” oder “High Power PoE”.

Brauche ich für PoE++ spezielle Kabel? Cat5e funktioniert grundsätzlich, jedoch empfehlen wir für 802.3bt-Installationen mindestens Cat6 oder besser Cat6a/Cat7. Die dickeren Adern reduzieren Wärmeverluste und erhöhen die Zuverlässigkeit.


Haben Sie Fragen zur optimalen PoE-Infrastruktur für Ihr Unternehmen? Wir beraten Sie gerne und finden gemeinsam das richtige Konzept für Ihre Anforderungen.

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